Erfolgsopfer oder intensive Förderer der lokalen Entwicklung?

 …Wir hören bereits Gemurre und Beschwerden, weil die nachgefragten Produkte nicht immer in der gewünschten Menge verfügbar sind.
Dies liegt auch daran, dass die Nachfrage, vor allem aus Frankreich, erheblich zugenom-men hat und daher einige Produkte, wie z. B. die Avocados, ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr verfügbar sind.
Und so lautet eine immer wiederkehrende Frage: „Wie kann das sein? Ihr habt neue zufriedene Kunden aber schafft es nicht, dass die Alten zufrieden sind?“
 

Wir versuchen ein Gesamtbild der Situation zu vermitteln, die unserer Meinung nach die Unzufriedenheit radikal überwinden kann und sollte: 

  • Die Gesamtproduktion der Gründungsmitglieder des Konsortiums war und ist bei einigen Produkten schon immer und unvermeidlich defizitär während andere Produkte im Überfluss vorhanden sind. Daran änderten bislang auch Umstellungen und Re-Investitionen nichts. 

  • Der Überschuss an Produkten, die nicht über die Nachfrage an Food-Coops / GAS abgegeben werden können, wird auf dem Markt zu „normalen“ Preisen verkauft / verramscht. Diese Preise variieren zwischen sehr niedrig bis lächerlich. 

  • Um den Anteil der Verkäufe zu angemessenen Preisen zu erhöhen, haben wir sofort andere Landwirte mit eingebunden, die unsere defizitären Produkte ergänzen oder unseren Warenkorb mit Angeboten für Euch erweitern. 

  • Dies hat vielen Landwirten ermöglicht, „in den Kreis zu treten“, dem Joch von Händlern und Zwischenhändlern zu entkommen, ihren kulturellen und menschlichen Horizont zu erweitern. (Danke, GAS!)

  • Natürlich ist es nicht möglich, dass die Erntemenge genau der nachgefragten Menge entspricht und umgekehrt. Es sei denn, man kauft einfach irgendwelche Produkte, ohne darauf zu achten welche

  • Und deshalb haben wir im Laufe der Jahre immer wieder neue Erzeuger mit einbezogen (jetzt sind wir 25 Mitglieder, inklusive der ersten 10 sowie an die 40 „Küken“, die sich in der Phase des gegenseitigen Kennenlernens und in der „hühnerischen“ Ausbildung befinden).

  • Das bedeutet, dass wir immer mit Überschussproduktion zu tun haben, denn die beteiligten Erzeuger, die zunächst einen Mangel beheben sollten, bringen dem Konsortium einen zusätzlichen Anteil an Produkten, von denen sie zu Recht erwarten, dass sie auch diesen über das Konsortium verkaufen können und nicht an Händler verramschen müssen. 

  • Und deshalb arbeiten wir daran, neue Kunden zu finden, wenn wir den Anforderungen an eine faire Positionierung der neuen (und der alten) Erzeuger gerecht werden wollen. Wir wollen die neuen Erzeuger stärker strukturell in das Konsortium mit einbeziehen und in die Kultur der Solidarwirtschaft einbinden und sie nicht nur als „Produkttanks“ BENUTZEN und sie dann aber an der Tür stehen lassen, wenn ihre Produkte nicht benötigt werden. 

  • Und so sind wir (und werden es immer sein) mit Defiziten konfrontiert, da es trotz der intensiven Arbeit bei Planung und Gestaltung der Kulturen immer wieder einen Unterschied zwischen Erntemenge und Nachfrage geben wird.  

  • Vervollständigen wir das Bild auf „unserer“ Seite, indem wir feststellen, dass dieser Prozess zu immer mehr landwirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen geführt hat und dies zunehmend auslösen wird. Wir gehen davon aus, dass sich dies immer weiterverbreiten wird, da unser Modell eines der wenigen ist, das funktioniert.

  • Und es begünstigt darüber hinaus einen Wechsel des „Blicks und der Perspektive auf die Landwirtschaft“; das heißt, bis vor ein paar Jahren war für viele, fast für alle, die vorherrschende Idee: „Scippu tuttu e fazzu camp’i palluni!“ (dt.: „Ich vernichte alles und mache Fußballfelder daraus!“).  Demnach gab es keine Aussicht auf Veränderung oder Verbesserung, sondern nur Entmutigung und Verlassen sein. Heute, innerhalb und außerhalb des Konsortiums, und vor allem bei unseren „Küken“, gewinnt folgende Idee immer mehr an Boden: „Sie haben es geschafft, also ist es möglich!“. Und die häufigsten Fragen sind nun: „Also, bei welcher Kultur können wir die größten Bedarfe erwarten? Wo haben wir die größten Defizite? Worin können wir unsere Energien und Hoffnungen vernünftigerweise investieren?“

  • Um das Bild zu vervollständigen, ermöglicht der oben beschriebene Mechanismus 26 Mitarbeitern, von denen über die Hälfte jünger als 30 ist, mit Zufriedenheit und Freude zu arbeiten und dieses Projekt (im weitesten Sinne) als eine große, nicht nur wirtschaftliche, Chance in ihrem Leben zu betrachten. (Fragt sie oder deren Freunde, wenn Ihr uns besuchen kommt.) 

Und dies, im Sizilien im Jahre 2015, denken wir, ist nicht gerade wenig.

Lasst uns mit unseren Überlegungen fortfahren: 

 consumatore oder consumaTTore?

(ital. Wortspiel; im Deutschen könnte man es übersetzen wie folgt: Konsument oder KonsumAKTEUR)


Diejenigen, die unsere Produkte kaufen, wären sicher glücklicher, wenn sie EXAKT und JE-DES MAL genau das bekommen würden, was sie verlangen – wie im Supermarkt.
Und wir verstehen die Unannehmlichkeiten der Referenten sehr gut, die mit einigen Diskrepanzen zwischen angefragt und erhalten umgehen müssen, und vor allem mit der Unzufriedenheit der Konsumenten.
Und genau deshalb schreiben wir diese Zeilen: damit sie unsere Referenten an Euch verteilen können, mit der Aufforderung, sie sorgfältig zu lesen.
Um sich vor der nächsten freundlichen Anfrage (Anmerkung: Bezeichnung der Hühner für Bestellung) einige einfache Fragen zu stellen:

 Ich (wir) bin in dieser Beziehung mit Erzeugern (bio, öko, fair, solidarisch, etc.) nur daran interessiert, meinen Nahrungsbedarf zum kostengünstigsten Preis zu decken?
Oder bin ich daran interessiert, durch meine Handlungen soziale Veränderungen zu fördern?

Ich (wir) möchte für mich/uns (Gruppe, Familie, …) Exzellenz, möglichst zu einem günstigen Preis – und für den Rest muss jeder selbst schauen, wo man bleibt?
Oder denke ich, dass es definitiv besser ist, ein akzeptableres Niveau für alle anzustreben?

Glaube ich (wir) wirklich an eine Kristallkugel, die die Produkte meines bevorzugten Erzeugers vor der allgemeinen Umweltverschmutzung schützt und sie einwandfrei auf meinen Tisch bringt?
Oder halte ich es für besser, die chemischen Eingriffe in die Landwirtschaft im Allgemeinen drastisch zu reduzieren, um das Risiko zu verringern, dass der durch den Wind verursachte Drift von Chemikalien nicht auch die Produkte meines bevorzugten Landwirtes belastet?

Will ich (wir) ein anspruchsvoller Konsument sein?
Oder ein verantwortungsbewusster KonsumAKTEUR (des Lebens und all seinen Erscheinungsformen)?
 

Natürlich steht all dies nicht im Widerspruch zu unserem ständigen Bestreben, Euch das Beste zu geben, immer, in der von Euch gewünschten Menge, genauso, wie Ihr es wünscht.
Aber wir hoffen, dass wir Euch mit diesen Zeilen ausführlich gezeigt haben, dass diese Verpflichtung nicht IMMER zu den erwarteten Ergebnissen führen kann.
Außer „leichtlebig“ bei der Auswahl der zugelassenen Erzeuger und Produkte zu sein.
Außer sich „leichtlebig“ gegenüber den Erzeugern zu geben und sie nach Belieben zu benutzen.

Wie immer, vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!
An diejenigen, die bis hierhergekommen sind.
Und auch denen, die sich vorher geärgert haben…